Interview mit Alumna Dr. Martina Gerken

Dr. Martina Gerken

"Als Frau Ingenieurwissenschaften studieren - nur in Deutschland etwas Ungewöhnliches"

Frau Dr. Martina Gerken wuchs auf in Ganderkesee (Niedersachsen). 1993 begann sie ihr Studium der Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe (TH). Nach ihrer Promotion an der Stanford University in Amerika kam die 34-jährige zurück nach Deutschland. Heute lebt sie mit ihrem Sohn Julius und ihrem Mann in Karlsruhe. Fr. Dr. Gerken gewann jüngst einen Preis beim Nachwuchswettbewerb „NanoFutur“, welcher vom Bundesforschungsministerium ausgeschrieben wurde. Die 1,6 Millionen Euro Preisgeld ermöglichen es Martina Gerken in den nächsten Jahren in der Nanotechologie weiter zu forschen. Eléna Fichtner sprach mit Dr. Gerken über das Elektrotechnikstudium in Karlsruhe.


Elektrotechnik ist nicht unbedingt ein typisches Studienfach für Frauen. Woher kam Ihre Begeisterung für dieses Studium?
So eine Frage bekommt man nur in Deutschland gestellt. In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass Frauen Ingenieurwissenschaften studieren. Am Ingenieurstudium hat mich gereizt praktische Probleme zu lösen. Den Ausschlag für das Elektrotechnikstudium gab mein Auslandsaufenthalt nach der zehnten Klasse in den USA. Mein Austauschvater war Elektrotechniker und hatte eine eigene Firma, dadurch habe ich einen guten Einblick in das Berufsfeld bekommen. Mich hat damals fasziniert, dass die Firmen auf ihn zu kamen und ihm ihre Probleme geschildert haben, für welche er dann eine Lösung gefunden hat.

Und warum haben Sie sich damals für Karlsruhe entschieden?
Ich hatte mich über verschiedene Universitäten informiert. Es sollte auf keinen Fall eine ganz kleine Uni sein, an der ich mein Studium beginnen wollte. An Karlsruhe hat mich insbesondere der Studiengang Elektrotechnik interessiert, weil man hier bis zum sechsten Semester allgemeine Elektrotechnik macht und sich erst danach auf eine bestimmte Vertiefungsrichtung festlegt. Diese kann man dann wiederum aus einem sehr breiten Angebot wählen. Außerdem hat mir gefallen hat, dass man in Karlsruhe viele Studiengänge mit Doppeldiplom abschließen kann. Es hat mich damals gereizt ins Ausland zu gehen.

Haben Sie ihr Studium mit einem Doppeldiplom abgeschlossen?
Nein, das habe ich im Endeffekt nicht gemacht. Ich habe aus diesem Grund zwar in Karlsruhe angefangen, aber ich habe meine Studien- und Diplomarbeit im Ausland geschrieben. Im sechsten Semester habe ich ein Urlaubssemester genommen, um mein Fachpraktikum bei Mercedes Benz in Argentinien zu absolvieren. Meine Diplomarbeit habe ich dann in den USA geschrieben. Ich hatte also schon zu viel Auslandserfahrung, um noch eine Doppeldiplom zu absolvieren.

Woran forschen Sie im Moment?
Ich leite die Arbeitsgruppe Mikro- und nanooptische Systeme. Der Themenbereich umfasst alles rund um optoelektronische Bauelemente, also alles was sich mit der Umwandlung von Elektrizität in Licht, wie beispielsweise bei den LEDs und Lasern beschäftigt. Außerdem forsche ich an der Umwandlung von Licht auf Elektrizität mittels Fotodetektoren. Darüber hinaus bearbeite ich ebenfalls passive optische Bauelemente. Mein persönlicher Schwerpunkt liegt in der Nutzung von Nanostrukturen um beispielsweise die Bauelemente in der Effizienz und in der Abstrahlcharakteristik zu verbessern.

Können Sie das an einem praktischen Beispiel erklären?
Leuchtdioden – LEDs – werden heute schon als Signalleuchten und in Heckleuchten eingesetzt. In Frontscheinwerfern oder in allgemeinen Leuchtmittel sieht man keine LEDs, weil sie noch nicht hell genug sind. Einer meiner Forschungsbereiche beschäftigt sich damit, mehr Lichtleistung aus den LEDs zu gewinnen. Dafür nutze ich die Nanostrukturierungen. Die Oberfläche, bzw. eine innere Schicht wird weiter nanostrukturiert, um so die Auskopplung von Licht zu erhöhen. Nur 20 % der elektrischen Leistung einer LED wird auch wirklich in Lichtleistung umgesetzt, deswegen beschäftige ich mich mit der Frage, wie man die bleibenden 80 % nutzten kann, um Licht zu gewinnen. In unseren Labors beschäftigen wir uns außerdem mit der Herstellung von organischen LEDs – so genannte OLEDs. Diese findet man heute schon in verschiedenen elektronischen Geräten, unter anderem in Handydisplays. Die OLEDs ersetzten dann das Flüssigkristall-Display. Sie haben den Vorteil, dass sie zum einen kostengünstiger sind und zum anderen großflächiger herstellbar. Und: sie sind heller als Flüssigkristalldisplays. Man muss allerdings sagen, dass ich weniger die Arbeit selber mache, sondern eher das Ganze manage. Ich leite die Arbeitsgruppe mit sechs Doktoranten, verteile die Aufgaben und bespreche mit meinem Team die Ergebnisse, damit wir die weitere Vorgehensweise beschließen können.

Sie sind heute eine wissenschaftlich sehr erfolgreiche Frau. Müssen Sie trotzdem manchmal gegen Vorurteile kämpfen?
Nein, gar nicht. Ich hatte weder während meines Studiums noch heute irgendwelche Probleme. Ich glaube, dass Außenstehende oft denken, dass Elektrotechnik ein ungewöhnliches Studium für eine Frau ist.

Ihr Sohn Julius ist jetzt 14 Monate alt. Hatten Sie Probleme Kind und Karriere miteinander zu vereinbaren?
Mein Mann und ich arbeiten jeder in Elternteilzeit, also 30 Stunden in der Woche. Am Anfang haben wir im Endeffekt wirklich abwechselnd gearbeitet. Ich habe an der Uni den Vorteil, dass meine Arbeitszeiten relativ flexibel sind. Ich muss zwar zu bestimmten Zeiten, Vorlesungen und Vorträge halten, aber darüber hinaus kann ich mir meine Zeit so einteilen wie ich es möchte. Bei meinem Mann ist es ähnlich. Jetzt geht Julius vier Nachmittage in der Woche in die Kinderkrippe, so dass wir weniger in den Abend hinein arbeiten müssen. Von daher klappt das sehr gut. Wir hatten viel Glück, dass wir einen Krippenplatz bekommen haben, das ist ja auch nicht so ganz einfach. Für mich stand es nie zur Debatte mich zwischen Kind und Karriere zu entscheiden. Ich arbeite gerne und bin gerne bei meinem Kind und so kann ich beides vereinen.