Interview mit dem Alumnus Martin Trauth
Der menschlichen Evolution auf der Spur
Martin Trauth untersucht in Kenia Kieselalgenfossilien
Martin Trauth beendete 1992 sein Studium der Geophysik und der Geologie an der Universität Karlsruhe. Nach seiner Promotion in Geologie an der Universität Kiel und der Habilitation in Geowissenschaften, arbeitet er seit 2003 als Privatdozent an der Universität Potsdam. Was ein Geowissenschaftler über die Evolution des Menschen herausfinden kann und wie man mit Hilfe von Kautabak Freundschaften schließt, berichtet er im Gespräch mit AlumniKaTH. Herr Trauth, im Juni letzten Jahres reisten Sie und ein internationales Team von Wissenschaftlern ins Suguta Valley im Norden Kenias, um dort Proben von Seesedimenten zu nehmen.
Was genau war der Zweck Ihrer Reise?
Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten und von mir gemeinsam mit Manfred Strecker geleiteten Projektes untersuchen wir den Zusammenhang zwischen Umweltveränderungen und der Evolution des Menschen. In diesem Jahr feiern wir den 200. Geburtstag von Charles Darwin, der seine Theorie von der Entstehung der Arten auch auf den Menschen angewendet hat, nachdem man nahe Düsseldorf die Reste eines Neanderthalers gefunden hatte. Seitdem hat man vor allem in Ostafrika sehr viele weitere Funde von menschlichen Vorfahren gemacht, man kennt heute auch sehr gut die Entwicklung von zum Beispiel Werkzeugen oder den Ablauf von Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren. Viele dieser Entwicklungen fallen zeitlich zusammen, zum Beispiel entstanden vor ca. 2.6, 1.7 oder 1.0 Millionen Jahren offenbar gleichzeitig neue Arten, andere verschwanden, neue Technologien wurden entwickelt oder die Menschen verließen den afrikanischen Kontinent. Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse legt den Schluss nahe, dass großräumige Umweltveränderungen und die damit einhergehenden Veränderungen im Nahrungs- oder Wasserangebot, den Lebensbedingungen ganz allgemein die Ursache sind. Im Suguta Valley sind solche Umweltveränderungen besonders gut sichtbar, aber aufgrund der Unzugänglichkeit der Region kaum untersucht. Deshalb haben wir im Juni 2007 und 2008 eine jeweils zweiwöchige Expedition in das Tal im Norden Kenias organisiert.
Anhand der Untersuchung von fossilen Kieselalgen wollten Sie und ihr Team klären, welches Klima herrschte, als sich der Mensch zum Homo sapiens entwickelte. Wie war das Klima vor einer Million Jahren? Wie lebten die Menschen damals?
Unserer Ansicht nach war das Klima Ostafrikas durch mehrere Episoden eines deutlich feuchteren, aber auch variableren Klimas geprägt, zum Beispiel vor einer Million Jahre. Diese Episoden sind in den großen Seebecken Ostafrikas gut dokumentiert und können anhand der beprobten Seeablagerungen untersucht werden. Während wir heute meist sehr kleine, überwiegend salzige Seen in der Region haben, waren damals 150 bis 250 Meter tiefe Seen von der zwei- bis dreifachen Größe des Bodensees die Regel, die in recht kurzer Zeit enormen Schwankungen unterworfen waren. Dadurch veränderte sich das Angebot von Trinkwasser erheblich, entwickelten sich viele dieser Süßwasserseen oft rasch in Salzpfannen. Das Nahrungsangebot veränderte sich, so dass die Menschen zeitweise auf proteinhaltige Nahrung aus dem See zurückgreifen konnten, in den trockenen Zeiten wiederum jagen mussten oder sich von Wurzeln ernährten. Wer diesen raschen Wechseln nicht angepasst war, blieb auf der Strecke.
Lange Zeit wurde von den meisten Wissenschaftlern die sog. Savannen-Hypothese vertreten, die besagt, dass sich das Klima nur langsam und allmählich gewandelt hat. Wie und warum haben Sie Ihre Hypothese entwickelt, die nicht von einem kontinuierlichen Klimawandel, sondern von einem immer wiederkehrenden abrupten Wechseln ausgeht?
Diese Mitte der Zwanzigerjahre entstandene Hypothese ist heute in vielerlei Hinsicht widerlegt, lebt aber in Modifizierungen fort. Eine von einem amerikanischen Kollegen vorgeschlagene Hypothese erklärt die wichtigsten Ereignisse in der Menschheitsentwicklung mit abrupten Trockenheitsschüben in Ostafrika. Die Geschichte großer Seen in Ostafrika hingegen widerspricht dieser Hypothese, denn offenbar korrelieren diese Ereignisse vielmehr mit Zeiten eines feuchteren und variableren Klimas, und nicht mit trockenen Perioden.
Ihr Einsatzort im Norden Kenias ist einer der heißesten Orte der Welt. Wie liefen die Vorbereitungen für diese besondere Expedition ab?
Zunächst müssen Forschungsgenehmigungen von der kenianischen Regierung eingeholt werden, wofür nicht nur nachgewiesene Kooperationen mit einheimischen Wissenschaftlern, sondern auch ein gutes Konzept für die Durchführung der Expedition Voraussetzung ist. Wir arbeiten mit Kollegen von der Universität Nairobi zusammen, wobei wir auf Kontakte noch aus der Zeit zurückgreifen konnten, als Manfred Strecker und ich noch im Sonderforschungsbereich 108 an der Universität Karlsruhe in Kenia arbeiteten. Die beteiligten Wissenschaftler bereiteten sich in einer Vielzahl von Treffen anhand der zur Verfügung stehenden Literatur, spärlichem Kartenmaterial, digitalen Geländemodellen und Satellitenbildern auf die Geländearbeiten vor. Mit Hilfe von Google Earth wurden Arbeitsgebiete definiert, die benötigte Zeit in einem bestimmten Gebiet und das nötige Arbeitsmaterial bestimmt. Aus diesem Arbeitsplan wurde ein minutiöser Zeitplan erstellt, aus dem schließlich ein Flugplan für den Helicopter optimiert wurde. Wir arbeiteten in zwei Teams mit je fünf Wissenschaftlern, welche durch Satellitentelefone untereinander, mit den Piloten und dem Camp in Verbindung blieben. Zum Schutz vor der Sonne und der großen Hitze benutzten wir Sonnenschirme und -segel, insbesondere während längerer Aufenthalte an einem Beprobungspunkt. Trotz guter Ausrüstung haben einige Geländeschuhe nur zwei Wochen durchgehalten, elektronisches Gerät versagte, auch gab es gesundheitliche Probleme bei einigen Teilnehmern, wofür das Camp jedoch vorbereitet war.
Für Ihre Expedition haben Sie auch mit Mitgliedern einheimischer Stämme zusammengearbeitet. Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt, wie wurde Ihre Anwesenheit aufgenommen?
Wir beschäftigen etwa 25 Einheimische, überwiegend vom Stamme der Samburus in unserem Camp, ohne deren Hilfe die Expedition nicht möglich gewesen wäre. Nach wenigen Tagen schon entwickeln sich freundschaftliche Verhältnisse zwischen den Wissenschaftlern und den Menschen vor Ort. Natürlich bezahlen wir auch eine Abgabe an die lokalen Gemeinden und unterstützen Schulen. Wir hatten sehr häufig Besuch von singenden Schulkindern, ein Ältester suchte uns auf, um über den Ursprung des Menschen zu diskutieren, eine Gruppe von Frauen mit Kindern, farbenfroh bekleidet und überaus mitteilungsfreudig, hat uns am Ende der diesjährigen Expedition besucht. Ein amerikanisches Filmteam, welches an einer Dokumentation über unser Projekt arbeitet, war sehr von der guten Einbindung beeindruckt und filmte einige dieser schönen Begegnungen. Das Camp lag etwa 1000 Meter über dem eigentlichen Arbeitsgebiet im Tal, wo aufgrund der grossen Hitze niemand lebt. Nur ganz gelegentlich begegnet man dort durchziehenden Viehhirten, mit welchen man mit ein wenig Kautabak schnell Freundschaft schließt. Unsere kenianischen Kollegen überbrückten hierbei mit gebrochenem Swahili der ansonsten Samburu oder Turkana sprechenden Menschen die Sprachbarriere.
Wie wird sich der Mensch in Zukunft angesichts des Klimawandels entwickeln?
Die Entwicklung des Menschen, wie wir sie untersuchen, läuft auf deutlich längeren Zeitskalen ab als der aktuelle Klimawandel. Klar ist jedoch, der Mensch entwickelt sich weiter, jedoch wird diese sehr langfristige Evolution seit ca. 2.5 Million Jahren durch die sehr viel schnellere und tiefgreifende kulturelle Entwicklung maskiert. Haben wir Glück, dann ist es auch unsere Kultur, die uns möglicherweise vor dem Aussterben auf einem sich wandelnden Globus rettet.
Sind weitere Expeditionen ins Suguta Valley geplant? Welche Fragen müssen noch beantwortet werden?
Die öffentlichen Fördergelder sind stets knapp, die Erfolgsrate von Forschungsanträgen bei der DFG hat in den letzten zehn Jahren stark abgenommen. Dennoch hoffen wir, eine für 2010 geplante Expedition realisieren zu können. Diese schließt eine Reihe neuer Aspekte ein, zum Beispiel die Untersuchung der Lebenswelt in der Region vor einer Million Jahre, was wir in Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum in Kenia angehen wollen. Wir haben die Geschichte der Seen im Suguta Valley recht gut dokumentiert und wollen nun wissen, wie sich die daraus abgeleiteten Umweltveränderungen auf die Lebensbedingungen von Tier und Mensch auswirkten.