Interview mit Alumnus Hans-Ulrich Distel
„Auf der Alma Mater des Lebens“ Vom Fahrzeug- zum Weinbauer"
Hans-Ulrich Distel, geboren 1947 in Göppingen, studierte von 1968 bis 1972 in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen, war ab 1973 bei SABA-GTE, promovierte 1980 über das Thema „Technologietransfer in Entwicklungsländer“ und arbeitete ab 1978 für das Haus Daimler-Benz/DaimlerChrysler in verschiedenen nationalen und internationalen Führungspositionen. Seit 2001 betätigt er sich leidenschaftlich als Weinbauer in Südafrika. Dennoch hat er seine ehemalige Ausbildungsstätte nie vergessen – sein Herz heute hängt an zwei Ka`s: Karlsruhe und Kapstadt.
Herr Distel, was hat Sie als Schwaben zu einem Studium nach Karlsruhe geführt?
Mein Vater war Ingenieur, hatte sein eigenes Unternehmen. Er hat mir früh klar gemacht, dass er „das Kaufmännische“ später sehr mühsam als Autodidakt erlernen musste. Somit empfahl er mir ein Studium in der Kombination Wirtschafts- und Ingenieurwesen. Dazu kam, dass Karlsruhe nicht soweit weg von zu Hause war. Und auch heute kann ich noch voller Überzeugung sagen, dass sowohl die Studienrichtung Wi-Ing. als auch der Studienort Karlsruhe die richtige Entscheidung für mein Berufsleben war, besonders bezüglich der gelungenen Kombination der Fächer. Wenn ich heute etwas anders machen würde, dann, nicht mehr jedes Wochenende zur Freundin heim zu fahren, sondern besser das nahe Elsass und das gute Essen und den Wein Frankreichs zu genießen. Studieren und Geniessen würde ich meinen Kindern auch empfehlen.
Wurden Sie denn durch das Studium an der Fridericiana gut auf Ihr Berufsleben vorbereitet?
Absolut! Damals war es so, dass man als Wirtschaftsingenieur nach dem Studium deutlich bessere Angebote bekommen hat, als z.B. die Mannheimer WiWis. Mit einem sehr guten Einstiegsgehalt bin ich damals bei SABA als technischer Revisor eingestiegen. Die hatten auch mit zwei anderen Karlsruher Wi-Ings sehr gute Erfahrungen gemacht. Ein bedeutender Einstellungsfaktor waren meine verschiedenen internationalen Praktika. Mir selbst war es wichtig gerade im Ausland zu lernen. Und so habe ich studienbegleitend Praktika in der Schweiz, in Frankreich, den USA und Japan gemacht. Ich wollte erfahren, wer unsere Hauptkonkurrenten weltweit sind und wie stark diese technisch, organisatorisch und innovativ aufgestellt sind. Das Gelernte habe ich noch während des Studiums umgesetzt und mich mit einem Freund im Bereich gehärtete Spezialstähle selbständig gemacht, mit begrenztem Risiko allerdings: Einer der großen Abnehmer damals war die Firma meines Großvaters.
Nach Ihrem Studium haben Sie an der Uni Karlsruhe promoviert, dies auch mit dem Erfahrungshintergrund "Internationalität und Entwicklungsländer“. Was war ihr Ziel?
Ja, meine Doktorarbeit schrieb ich über Technologietransfer in Entwicklungsländer aufgrund meiner Erfahrungen beim Aufbau eines Radio- und TV-Werkes für SABA-GTE in Sidi Bel Abbes „Mein Her(t)z hängt an Karlsruhe!“ (Foto: C. Reichert) in Algerien, für das ich als Projektleiter fungierte. Ich hatte mich bei der Dissertation sogar gezwungen, mathematische Ableitungen einzubauen, obwohl ich kein grosser Mathematiker bin. Eher bin ich ein Meister des Wortes und der Verhandlung. Ich habe über Wirkungsgrade der Technologie philosophiert und eine an Entwicklungsländer angepasste Technologie. Ich entsinne mich noch: Mein Doktorvater Prof. Rühl war von den mathematischen Ableitungen ganz beeindruckt, meinte aber, ich müsse in einer Fussnote angeben, aus welchem Fachbuch ich dies herhätte. Darauf ich stolz (und vermutlich schwäbisch): „Herr Professor, des han i mir älles selber ausdenkt!“ Ziel der wissenschaftlichen Arbeit war es, Ansätze zu finden, wie man Maschinen, Vorrichtungen und Abläufe so verbilligen und vereinfachen kann, dass sie in unterentwickelten Ländern auch beherrschbar und z.B. auch reparierbar sind.
Herr Distel, erzählen Sie uns doch etwas über Ihren Werdegang. Wie wird man als studierter Wirtschaftsingenieur und erfolgreicher Geschäftsmann in der Automobilbranche zum Weinbauer in Südafrika?
Vom technischer Revisor bei SABA über die Position des Assistenten des Geschäftsführers mit Büro in einer alten Villa in Villingen/Schwarzwald ging es dann zum Mutterkonzern General Telephone & Electronics (GTE) nach Stanford/Conn.USA wo ich ein Projektteam zusammenstellte für den Aufbau des erwähnten Elektronikwerks. Als reisefreudiger, ungebundener, junger Mann mit Französischkenntnissen fiel die Wahl für die Projektleitung quasi automatisch auf mich: Man hatte niemand anderen dafür. Ein hochinteressantes Projekt, trotz vieler Stolpersteine erfolgreich. 1976 begann ich dann nebenberuflich mit der Promotion, erhielt in dieser Zeit ein Angebot von Daimler- Benz für den Projekt- und Beteiligungsbereich und ging damals, frisch verheiratet vorübergehend in den Iran. Später folgten Projekte in Indonesien und Peru. Mit der Industrialisierung des Kraftstrangs für Nutzfahrzeuge in Südafrika (Daimler hatte die internationalen Ausschreibungen für Motoren, Getriebe und Achsen zusammen mit der ZFF gewonnen) wurde ich als Projektleiter für zunächst das Motorenprojekt Atlantis Diesel bei Kapstadt, später die beiden anderen Projekte in Johannesburg von der Zentrale in Stuttgart eingesetzt. Diese Tätigkeit brachte mir ein Land nahe, welches mich in seiner Schönheit und von seinem Business-Sense her tief beeindruckte und für das ich seither überall Werbung mache. Später bin ich für Daimler auch in anderen Funktionen in anderen Ländern tätig gewesen, u.a. auch im LKW-Werk im nahen Wörth als Prozessgeschäftsführer. Andere Stationen hießen Teheran während des irakisch iranischen Krieges, was plötzlich eine grosse geschäftspolitische Herausforderung war! Oder Nigeria, Elfenbeinküste, Kongo. Insgeheim jedoch habe ich immer darauf gehofftt, wieder eine Position in Südafrika zu bekommen, was mit meiner Berufung in die Geschäftsführung von 1999-2001 dann auch wirklich eintrat. In Südafrika stellt Daimler die C-Klasse für Rechtslenker- Länder her, also neben dem Home-Market für Länder wie Großbritannien, Honkong, Taiwan, Japan, Australien etc. Anlässlich meiner Tätigkeit dort habe ich mehr zufällig einen südafrikanischen Geschäftsmann kennengelernt, der, wie ich, ein Wein-Conesseur oder besser: „Wein-Fanatic“ war und ist. Als er mit mir an einem verlängerten Wochenende auf sein Weingut am Kap flog bin ich (im positiven Sinne) regelrecht aus den Socken gekippt: Ein wunderschönes Fleckchen Erde von 2 500 ha in einem Hochtal.
Über die Zeit wuchs unsere Freundschaft und meine Begeisterung für exzellente Weine und so habe ich mich in diesen Wein Estate, das Weingut Schalkenbosch in Tulbagh nahe Kapstadt Zug um Zug eingekauft. Wobei mir zu Hilfe kam, dass ich schon seit meinen ersten Afrika-Aufenthalten anfangs der 80er Jahre regelmäßig für Freunde und Kollegen Weine aus Südafrika zu Weihnachten als Gemeinschaftssendung importiert hatte, d.h. ich war somit für das Thema Weinverkauf und Weinanbau bereits sensibilisiert und hatte mir auch einen kleinen Markt geschaffen. Mittels sehr sorgfältigen Planungen, Bodenanalysen alle 50m, einer engen Zusammenarbeit mit der Universität Stellenbosch, dem Umsetzen ihrer Empfehlungen, und mittels einem ausgeklügelten, bodensensor- und computergesteuerten Bewässerungsprogramm haben wir neue Weinstöcke und Rebsorten standortoptimal gepflanzt und keltern seit 2001 wunderbare Weine. Ihr Gutteil zum Gelingen brillianter Weine tragen zweifellos die Windströmungen vom nahen Atlantik und vom wärmeren Indischen Ozean, die morgendlichen Nebel, das Ernten im frühen Morgengrauen (wenn das Lesegut am kühlsten ist) und viele Kleinigkeiten bei, die man über die ganze Wertschöpfungskette des Weins beachten und einfach besser machen muss als der Wettbewerb. Diese Dedication bescherte nach zwei Jahren bei der London Wine Show bereits eine erste Goldmedaille für unseren Cabernet Sauvignon, für meinen Partner und für mich absolut überraschend aber auch beflügelnd! Bezüglich des Bekanntheitgrades und der Nachfrage stellte dies einen Durchbruch dar. Seither reißen die Prämierungen nicht mehr ab, zur Freude auch des Strausses unterschiedlichster kleiner und grosser Weinkunden, privater Connaisseurs, Caterer, Restaurants (auch eine Reihe mit Michelin-Stern), Fachhändler, Institutionen oder Firmen wie z.B. die Royal Airforce, PX, Fraunhofer, Uni Stuttgart, Daimler, Spedition Shenker, Porsche usw. Weil ein Weinbaubetrieb lebendig ist und sich fortentwickelt, bleibt der anhaltende Zwang zur Investition: So kostet z.B. ein Barriquefass für Rotwein rd.1.000 €, fasst 225 Liter und wird von uns qualitätsbedingt nur 3 – 4 mal zum Ausbau hochwertiger Rotweine gefüllt. Zu den berechtigten Privatinteressen im lieben Deutschland ergeben sich dadurch ständig Zielkonflikte, so kaufe ich lieber 10 neue Weinfässer für Südafrika, als den heimischen Garten neu anlegen zu lassen. Und das Schöne ist: Jeder Tag im Weinbau bringt Neues, jeden Tag lerne ich (als Seiteneinsteiger) dazu und bin damit quasi noch immer auf der Alma Mater des Lebens.
Sie sind Mitglied im Freundeskreis Karlsruher Wirtschaftsingenieure? Was bedeutet Ihnen die Verbundenheit mit ehemaligen Kommilitonen?
Hierin spiegelt sich eine gewisse Grunddankbarkeit der Uni und dem Lernteam von damals gegenüber (Skripten wurden seinerzeit ja noch handschriftlich erstellt, reihum ausgeliehen und im Umdruckverfahren mit dem Resultat lilagefärbter Hände kopiert). Sowas schweisste zusammen: Rund 70 Wi-Ing-Absolventen von damals treffen sich regelmässig zu unterschiedlichen Veranstaltungen, die reihum organisiert werden. Jedes Jahr unternehmen wir etwas besonderes. So z.B. in diesem Jahr Kultur Pur in Weimar. In früheren Jahren reisten wir etwa zu Airbus in Toulouse (durch einen unserer dort beschäftigten Freunde konnten wir den großen Airbus A 380 bewundern, lange bevor dieser auf den Markt kam). Mitglieder des Freundeskreises liefen zusammen auf dem Pilgerweg nach Compostela. Oder: mehr als 20 Mitkommilitonen fanden sich mit ihren Familien auf meine Einladung zusammen zu einem Besuch auf meinem Weingut. Mit Sprintern von Daimler düsten wir durch die Kapregion, haben die Abende auf meinem Weingut genossen, den Weinen grosszügig zugesprochen, gesungen und Theater gespielt. Wenn es Leute gibt, die etwas in die Hand nehmen, dann wird halt was draus. Schliesslich haben wir das ja an der Fridericiana gelernt!
Und heute?
Ich verkaufe meine Weine (nach Daimler-Jargon) in C-, E- und S-Klasse – was allerdings nicht wirklich die Klasse, sondern die Abfüllmaße betrifft. Darüber hinaus organisiere ich ein- bis zweimal im Jahr sogenannte Winelover´s Touren für Freunde und Interessierte nach Südafrika.
Das Wort zum Schluss?
In Karlsruhe habe ich zumindest drei „Weisheiten“ mit der „Universitätsmilch“ aufgesogen:
1. Wenn man was macht, dann mit Herzblut und 100%ig.
2. Auch völlig Neues lässt sich schaffen: Fleiss und beharrliches Fragen sind der Weg zum „Vize-Weltmeister“
3. Man kann nie so dumm denken, wie`s kommen kann. Daher: Denke die Dinge zu Ende!
Vielen Dank für das Gespräch.
Übrigens: Für Februar/März 2009 plant AlumniKaTH exklusiv für die Mitglieder des Netzwerks eine Winlover´s Tour in Südafrika! Näheres erfahren Sie ab 2008 über das AlumniKaTH Büro.
Weiterer Link bzgl. Weingut Schalkenbosch:
http://www.schalkenbosch.co.za/
http://www.savinco-weine.de/