Interview mit dem Alumnus Peter Buss

Peter Buss

"Studieren vor einem halben Jahrhundert"

Peter Buss, geboren am 15. September 1928 in Offenburg/Baden, musste im Sommersemester 1949 erst einmal Aufbaudienst auf dem Campus der damaligen Technischen Hochschule Karlsruhe leisten – das war damals Voraussetzung für die Immatrikulation. Vom Wintersemester 1949/50 bis zum Wintersemester 1954/55 studierte er dann Bauingenieurwesen und schloss mit dem Diplom ab. Seine Diplomarbeit verfasste er im Sommersemester 1954 bei Professor Wittmann zu einem Thema aus dem Verkehrswasserbau. Dr. Sibylle Orgeldinger sprach mit Peter Buss über das Leben und Lernen vor mehr als einem halben Jahrhundert.


Herr Buss, Ihr Studium fiel in die Nachkriegszeit und die Jahre des Wiederaufbaus. Können Sie das Lebensgefühl dieser Generation von Studierenden beschreiben?
Die Kommilitonen waren überwiegend Kriegsteilnehmer. Ihr Ziel war, rasch und ohne Umwege das Fundament für eine solide Existenz zu legen. Dem entsprach – verstärkt durch einen engen materiellen Spielraum – die allgemeine Lebensführung. Auch das Leben in den Korporationen war davon gekennzeichnet. Unser „gesellschaftliches Bewusstsein“ war geprägt von den gerade überstandenen Jahren. Wir lehnten alles ab, was mit Militär oder politischer Indoktrination in Verbindung gebracht werden konnte. Wir wollten vorwärts und möglichst nach oben kommen und hatten keinen Sinn für abstrakte Befindlichkeitsstörungen.

Wie sah es auf dem Campus und in den Gebäuden der damaligen Technischen Hochschule Karlsruhe aus, als Sie ihr Studium begannen?
Als ich im Sommersemester 1949 mit dem Aufbaudienst begann, waren bereits die Trümmer beseitigt und die Verkehrswege geräumt. Es gab aber Behelfsbauten und Auslagerungen. Schwerpunkt unserer Tätigkeit waren damals Arbeiten an den Inneneinrichtungen der beschädigten Gebäude und in einigen Instituten.

Wie war das Studium aufgebaut?
Das Studium setzte sich zusammen aus vier Semestern vor der Vorprüfung, vier Semestern nach der Vorprüfung plus Oberstufe für so genannte Vertiefer – bei mir in Wasserbau und Wasserwirtschaft. Dazu kamen ein Semester für die Diplomarbeit und ein Prüfungssemester.

Hatten Sie Hörergebühren zu entrichten?
Ja, in wechselnder Höhe: Es waren zwischen 57,57 DM und 249,00 DM pro Semester. Zum Vergleich: Mein Monatswechsel betrug 120,00 DM.

Wo haben Sie gewohnt, wie haben Sie gelebt und gelernt? Gab es auch so etwas wie ein Campusleben nach der Vorlesung?
Gewohnt habe ich damals am Neuen Zirkel und in der Englerstraße. Gelebt habe ich, wie bereits erwähnt, äußerst sparsam: 35,00 DM im Monat kostete die Bude, und 95,00 DM mussten für alles Übrige reichen. Nach der Vorlesung trafen wir uns im kleinen Kreis mit wenigen Freunden und einmal pro Woche in unserer Korporation. Übrigens: Geduzt haben wir uns ausschließlich mit den wenigen persönlichen Freunden und unter Bundesbrüdern.

Erinnern Sie sich noch an die Prüfungen?
Oh ja, wenn auch nicht an alle gleich lebhaft. Grausam war die höhere Mathematik - es hat sich mir bis heute nicht erschlossen, weshalb Ingenieure drei Semester lang die gleichen Vorlesungen wie angehende Mathematiker oder Physiker erleiden mussten. Heiter hingegen die Prüfung in Geologie: Für die mündliche Vorprüfung wurden immer einige Tableaus mit Gesteinsproben bestückt, und diese mussten auf Fingerzeig des Prüfers benannt – oder erraten – werden. Auf geheimen Wegen erfuhren wir, dass das für den nächsten Tag vorbereitete Material unbewacht im Zimmer des Assistenten lag. Es stimmte und zwei von uns besichtigten es vorab – mit Erfolg!

Wie hat das Studium Sie auf das Berufsleben vorbereitet?
Ich hatte keine Schwierigkeiten schon vor dem Diplom in Ingenieurbüros mit dem Erlernten Geld hinzuzuverdienen und zu Beginn des Berufslebens recht unterschiedliche Ingenieuraufgaben zu bewältigen. 1960 schlug ich allerdings eine Richtung ein, die mit Bauingenieurwesen kaum noch etwas gemein hat.

Welche berufliche Richtung schlugen Sie damals ein?
1960 ging ich von der Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft Karlsruhe zum bundesweit zuständigen Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften Bonn. 1967 wurde ich zum Leiter der Zentralstelle für Unfallverhütung (ZefU) gewählt, die wenig später um den Bereich Arbeitsmedizin erweitert wurde. Ab 1974 – in eigener Rechtsform ab 1976 – baute ich in leitender Position den Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienst e.V. (BAD) auf, wobei ich meine Funktion als Leiter der ZefU beibehielt. Nach der Errichtung von mehr als 100 stationären und mobilen Stationen wurde die Führung des BAD Ende 1980 auf meinen Antrag in hauptberufliche Hände gelegt. 1985 schließlich wurde ich zum Hauptgeschäftsführer des Verbands gewählt. Diese Funktion übte ich bis zur Wiedervereinigung 1990 aus. Übrigens bin ich der erste und bisher einzige Ingenieur, der zum Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften gewählt wurde.

Halten Sie Kontakt zur Universität?
Selbstverständlich, wenn auch altersbedingt recht sporadisch.