Interview mit Alumnus Martin Welker

Alles eine Frage des Motors

Im Gespräch mit Alumnus und Firmengründer Martin Welker

 

Mit 13 wollte Martin Welker mit seinem PC sprechen können und brachte sich selbst das Programmieren bei. Heute ist er CEO eines Software-Unternehmens, das mit Lookeen eines der erfolgreichsten Add-ons für das Mailprogramm Outlook entwickelt. Wie wichtig es für den Erfolg ist, seinen Kunden zuzuhören und wie sich Karlsruhe zu einem badischen Silicon Valley entwickeln kann, berichtet Welker im Gespräch mit Elke Schmidt.


Herr Welker, bitte stellen Sie uns doch in wenigen Sätzen Ihre Firma vor.

Die Axonic Informationssysteme GmbH wurde 2003 von mir gegründet und stellt Endanwendersoftware her. Begonnen hat die Axonic als ein Ein-Mann-Unternehmen, inzwischen entwickeln fünf fest angestellte Mitarbeiter vor allem ein Hauptprodukt: ein Add-In für das Mailprogramm Outlook, namens Lookeen, das schon großen Erfolg verzeichnen konnte. Neben unseren festen Mitarbeitern haben wir ein sehr großes, aber auch sehr loses Netz an freien Mitarbeitern.

Unsere neuste Entwicklung ist GumNotes, ein Programm, das Notizen und Kommentare direkt an Emails, Dokumente, Bilder oder Webseiten heftet und im Team zugreifbar macht.

Programmieren im weitesten Sinne hat schon früh eine Rolle in Ihrem Leben gespielt. Können Sie sich noch an Ihren ersten Kontakt mit der Materie erinnern?
Das stimmt. Ich habe bereits mit 13 erste Schritte in die Welt des Programmierens unternommen. Das war zu einer Zeit, als gerade die ersten richtigen PCs, die Vorläufer von dem, was wir heute als Windowsrechner kennen, auf den Markt kamen. Mein Vater hat damals in einem Rechenzentrum gearbeitet und beschlossen, dass für unsere Familie kein Commodore 64 oder Macintosh angeschafft werden sollte, sondern ein „IBM-kompatibler“ PC.

Während meine Freunde tolle Spiele spielen konnten, konnte ich nur merkwürdige Dinge in einen Texteditor eingeben. Als dann tatsächlich etwas auf dem PC passiert ist, war das ein tolles Erlebnis und mein erster Schritt hin zu etwas, das man heute Programmieren nennt. Ich wollte damals aber eigentlich nur mit dem Computer reden.

Folgerichtig haben Sie später Informatik an der Universität Karlsruhe studiert und 2001 Ihre Diplomarbeit über „Adaptive Informationsextraktion“ abgelegt. Was genau war Thema Ihrer Diplomarbeit? Wie ging es danach weiter?
In der Arbeit habe ich mich mit der automatischen Erkennung von Dokumentdaten, insbesondere von Rechnungsdaten wie etwa Rechnungsdatum, Rechnungsbeträge und Anschriften befasst. Mit diesem Thema hatte ich bereits während des Studiums zutun, als ich für einen Hersteller von Dokumenten-Management-Systemen als Freiberufler gearbeitet habe. Nur einen Tag nach der Erlangung meines Diploms bin ich nach San Francisco geflogen, um bei einem Startup-Unternehmen mit deutschen Gründern, der Innuendo, als Entwickler zu arbeiten.

Warum hat Sie das Silicon Valley gereizt? Haben Sie sich dort bessere Möglichkeiten für den Berufseinstieg erhofft?
Mir wurde damals von einer sehr netten Gruppe ein Job angeboten. Einerseits war das Produkt sehr spannend: Wir haben einen Risikomanager für Aktienportfolios für die Finanzindustrie entwickelt. Zum andern war es schon immer mein Wunsch, im Silicon Valley zu arbeiten. Ich denke auch heute noch, dass man mit dem gleichen Produkt dort größere Chancen hat als überall sonst, das habe ich auch damals gemerkt. Leider hat zu der Zeit, als ich in San Francisco war, die Wirtschaftskrise voll zugeschlagen, so dass es das Unternehmen und damit meinen Job irgendwann nicht mehr gab und ich nach Deutschland zurückgekommen bin.

Nach Ihrer Rückkehr haben Sie sich 2003 mit der Axonic selbständig gemacht. Hatten Sie keine Befürchtungen, dass Sie möglicherweise keinen Erfolg haben könnten?
Ich musste die Firma ja zum Glück nicht ins Blaue hinein gründen. Ich hatte schon in den USA wieder Kontakt mit meinem Auftraggeber aus der Studienzeit. Gemeinsam kamen wir auf die Idee, dass ich meine Erfahrungen in der Dokumentanalyse in einem eigenständigen Produkt auf größere Füße stellen könnte. Ich hatte also schon erste Abnehmer für mein Produkt, bevor ich die Firma 2003 gegründet habe. Nebenher habe ich an einem System getüftelt, das den E-Mail-Verkehr in Gruppen nachverfolgbar darstellen sollte. Aus dieser Idee entwickelte ich zusammen mit meinem Studienkollegen Thomas Krekeler mein erstes Programm für den PC-Endanwendermarkt: Chilibase.

Während der Fertigstellung bemerkte ich, dass Chilibase viel zu komplex geraten war und wir mit der Entwicklung nicht voran kamen. In dieser Phase konnte ich mit Peter Oehler einen sehr wichtigen neuen Mitstreiter für uns gewinnen.

Kam Herr Oehler wie Sie aus dem Informatikbereich?
Herr Oehler war vorher für den Bereich Qualitätssicherung bei der CDV AG in Karlsruhe verantwortlich, aber gewissermaßen kam er als Quereinsteiger zu Axonic, denn eigentlich war er Lehramtsstudent.
Er brachte einen ganz neuen Blick auf die Dinge mit.

Zusammen verpassten wir Chilibase eine Radikalkur. Nur 3 Monate später war Chilibase verkaufsreif. Das Presseecho war unglaublich positiv, denn Chilibase war ein „Spielzeug“ in dem sonst so bierernsten Outlook. Da der Verkauf dennoch sehr schleppend verlief, haben wir uns auf einen neuen Ansatz besonnen.

Wir haben Kunden, Tester, Redakteure und befreundete Firmen gefragt, was sie als Nutzer sich von einem Outlook Add-on wünschen.

Die Antwort war einfach: sie wollten keine Zeit verlieren beim Suchen von Mails und Informationen. Sie wollten einfach und schnell Dinge finden. So haben wir gelernt, was der Kniff ist: den Kunden ergründen! Und an diesen Kundenwünschen haben wir uns bei der Entwicklung unseres nächsten Produkts orientiert.

Dem Outlook-Such-Tool Lookeen?
Genau. Lookeen sollte ausschließlich der Suche nach E-Mails dienen. Die erste Version wurde nach nur 6 Monaten fertiggestellt und im Januar 2007 zum ersten Mal verkauft.

Inzwischen haben wir mehrere 10.000 Kunden in mehr als 70 Ländern.

Dabei werde ich oft gefragt, ob es überhaupt einen Markt für eine Anwendung gibt, die Outlook von Hause aus mitliefert – die Mail-Suche. Hier sprechen wir über eine Frage des Motors. Manche Leute haben nur wenige E-Mails und brauchen dadurch keine erweiterte Suchfunktion. Je länger man aber Zeit in der Outlook-Umgebung verbringt und je mehr E-Mails sich anhäufen, desto größer ist der Motor, der benötigt wird. Viele Unternehmen sprechen von bis zu 1.500.000 E-Mails, auf die systematisch zugegriffen werden muss. In solchen Dimensionen sind die üblichen 30 Sekunden Suche von Outlook natürlich absolut untragbar.
Mit Lookeen dauert das nur einen Bruchteil, erst dadurch wird das Suchen im Mail-Postfach für diese Unternehmen wieder relevant und lohnend.

Wie haben Sie während des Studiums von Ihrem Nebenjob profitiert?
Ich habe in erster Linie finanziell profitiert. Das Geld, das ich verdient habe, hat mir die Möglichkeit gegeben, das Experiment USA ohne allzu großes Risiko zu wagen. Außerdem habe ich gelernt, selbstverantwortlich zu arbeiten und Dinge durchzuziehen, die ich angefangen habe. Was mir die Arbeit leider nicht gebracht hat, ist ein Netzwerk, da meine Projekte sehr spezifisch waren. Dadurch ist mir aber auch bewusst geworden, dass das Spezialisten-Dasein nicht meine Welt sein würde.

Der Job hat mir bewusst gemacht, dass es eine berufliche Sicherheit für mich nur geben würde, wenn ich mich sehr breit aufstelle und dass ein Netzwerk dann für mich sehr wichtig sein würde.

Ich würde dem Networking generell eine wichtigere Rolle zuschreiben, wenn ich noch einmal studieren würde. Das ist das einzige Versäumnis, was ich nachträglich im Bezug auf mein Studium bereue. Ich hätte mich mehr für meine Kommilitonen und deren Projekte interessieren müssen, schließlich haben sie wie ich eine hervorragende Ausbildung genossen und es war klar, dass sie später einmal sehr interessante Jobs machen würden.

Welche Meilensteine möchten Sie mit Ihrer Firma in den nächsten 10 Jahren noch erreichen?
10 Jahre sind in der IT-Branche ja ein unglaublich langer Zeitraum, so dass ich hier nicht in Produkten planen möchte. Mir ist es wichtiger, was für uns noch möglich werden wird. Es geht uns nicht darum, noch eine bestimmte Anzahl an Lizenzen zu verkaufen oder spezielle Kunden zu gewinnen, sondern darum, uns weitere Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Momentan sind wir in der Lage, bis zu 1000 Kunden am Tag zu bedienen. Früher konnten wir das nicht und genau deshalb hatten wir auch nicht so viele Kunden! Meiner Meinung nach müssen erst die Voraussetzungen geschaffen werden, um Wünsche umzusetzen und nicht umgekehrt. Konkret steht bei uns z.B. der Aufbau eines eigenen Marketings an. Wir wollen noch schneller und flächendeckender über Produkte informieren können.

Sie haben offensichtlich noch einiges mit Ihrer Firma vor und als CEO Ihres eigenen Softwareunternehmens sicherlich viel Stress. Welchen Ausgleich haben Sie dazu in Ihrer Freizeit?
Programmieren ist für mich in den letzten Jahren Beruf und Hobby zugleich gewesen. Ich habe auch in meiner Freizeit sehr viel mit Software zu tun und starte immer wieder kleinere Projekte. Auch unser aktuelles Programm GumNotes ist quasi in meiner Freizeit entstanden. Außerdem engagiere ich mich im Judo-Bundesliga-Team des BC Karlsruhe, der für mich eine Art „Integrationshilfe“ war, als ich aus dem Norden nach Karlsruhe gekommen bin. Und schließlich versuche ich mich gelegentlich als Maler, sozusagen um auch einmal die rechte Gehirnhälfte zu beschäftigen (lacht).

Mir gefällt, dass man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat, in der realen Welt. Im Gegensatz zu Software kann ich mir bei meinen Bildern sicher sein, dass sie dauerhaft sind, dass sie nicht vom Marktumfeld abhängig sind. Die Bilder stehen für sich selbst.

Welchen Tipp haben Sie für Entwickler, die zwar eine gute Idee haben, aber nicht wissen, wie sie diese umsetzen sollen?
Der wichtigste Tipp, den ich aus eigener Erfahrung geben kann, ist, aus der eigenen Idee nicht ein fertiges Produkt zu bauen, sondern lediglich mit der groben Anfangsidee zu potentiellen Kunden zu gehen und diese zu fragen, ob sie es gebrauchen können (und bereit sind, dafür zu zahlen). Wenn es eine Idee ist, die Hand und Fuß hat, dann wird sie sich auch nicht wegrationalisieren lassen. Ganz im Gegenteil, sie wird bekräftigt werden. Diesen Weg haben wir für unser zweites Produkt Lookeen eingeschlagen und er hat sich für uns als sehr erfolgreich erwiesen.

Hier finden Sie mehr Informationen über Lokeen: http://www.lookeen.de

 

September 2010