Interview mit dem Alumnus Dr. Michael Guntsch
Michael Guntsch wurde am 04.11.1974 geboren und promovierte von 1999 bis 2004 am Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB) an der Universität Karlsruhe (TH). Wenn ihm heute neben seiner Arbeit bei der Google Ltd. in London Zeit bleibt, widmet er sich leidenschaftlich seinen Hobbies Judo, Snowboarden oder Tauchen.
Herr Guntsch, mit über 50% aller Suchanfragen ist Google Marktführer unter den Internet- Suchmaschinen. Hier arbeiten die klügsten Köpfe der Welt. Wie ist es für Sie in einem solch erfolgreichen Unternehmen zu arbeiten?
Die Arbeit bei Google ist recht anspruchsvoll, ich habe hier viele faszinierende Innovationen kennen gelernt. Die Menschen bei Google sind tatsächlich sehr inspirierend und die neuen Produkte, die uns intern regelmäßig vorgestellt werden, sind wirklich interessant. Egal mit wem man redet, man hat nie den Eindruck, dass jemand „nur“ bei Google ist, um die Stunden abzusitzen und das Gehalt zu kassieren; alle arbeiten an interessanten Problemen und es lohnt sich immer, sich mit einem beliebigen Kollegen zu unterhalten!
Was macht die Arbeit bei Google für Sie besonders, wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von der bei anderen großen Unternehmen?
Ich denke, der Hauptunterschied besteht darin, dass die fachlichen Kompetenzträger auch diejenigen sind, die in ihrem Fach die Entscheidungen fällen. Einem Entwickler wird nicht von seinem Vorgesetzen gesagt, wie er seine Arbeit erledigen soll, dies liegt alleine in seiner Verantwortung. Das ist für alle deutlich motivierender. Zur Motivation tragen natürlich auch Laptop, großzügig dimensionierter Arbeitsplatzrechner, die kostenlosen Mahlzeiten und die gut gefüllten Snack-Fächer bei. Außerdem gibt es Spielräume für Tischtennis und Billard sowie Spielekonsolen aller Art zum Ausspannen. Jeder „Googler“ mit unbefristetem Vertrag konnte letztes Jahr ein Fahrrad bestellen; zu zahlen war nur der steuerwerte Vorteil. Google hat glücklicherweise auch die finanziellen Mittel, um solch ausgefallene Ideen möglich zu machen. Grundsätzlich gilt, dass wenn man etwas nicht zu Ausgefallenes gerne hätte, um seinen Job besser machen zu können, dann bekommt man es auch.
Welche Aufgaben umfasst Ihre Tätigkeit bei Google?
Ich arbeite seit knapp zwei Jahren bei Google, inzwischen in der Position als Tech Lead, was die technische Leitung einiger Aspekte meines Projekts, Google Checkout, beinhaltet. Hierbei arbeite ich gerade speziell an der mobilen Plattform für Mobiltelefone, PDA, etc. sowie an der Produktionsinfrastruktur.
Sie haben am AIFB promoviert. Warum haben Sie sich für Karlsruhe entschieden?
Karlsruhe war eine von mehreren Universitäten, an denen ich mich um eine Promotionsstelle beworben hatte. Bei meinem ersten Besuch hat die Uni einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht, der Ruf von Karlsruhe war dazu sehr gut. Mein Gespräch mit Prof. Schmeck am AIFB verlief sehr positiv, und ich hatte den Eindruck, hier an meinem Thema gut arbeiten zu können und unterstützt zu werden. Letztendlich hatte ich nach dem Besuch in Karlsruhe einfach ein deutlich besseres Gefühl als bei den anderen Universitäten, und das gab den Ausschlag.
Welche Suchmaschine nutzen Sie privat und macht man sich als Mitarbeiter von Google Gedanken darüber, wenn man Konkurrenzprodukte nutzt?
Ich nutze privat ebenfalls in den meisten Fällen Google. Ich denke es ist sogar sehr gut, wenn man neben den Google Produkten noch andere nutzt, sonst würde man sein Sichtfeld zu stark einschränken. Ich denke das Wichtige ist, sich nicht irrational auf eine Sache zu versteifen, sondern die Mittel zu nutzen, die einem am effektivsten helfen, ein Problem zu lösen.
Wenn Sie an Ihre Zeit in Karlsruhe zurück denken: was hätten Sie gerne aus Karlsruhe mit nach London genommen? Und welche Besonderheit aus London fehlt in Karlsruhe?
Das Niveau von Wohnungsqualität und -preisen ist in Karlsruhe ungleich besser. Hier kostet ein vergleichsweise günstiges Zimmer in einer 4er WG mehr als das Doppelte wie eine Wohnung in Karlsruhe. Fahrradfahrer leben in Karlsruhe nicht annähernd so gefährlich wie hier in London. An London gefällt mir die Einstellung der Leute, es herrscht eine größere Gelassenheit und Dinge werden nicht schlechter geredet, als sie sind. Niemand nimmt sich selbst zu ernst, ein bisschen Ironie und Sarkasmus gehören zum Alltag. Ein anderer schöner Punkt sind die Ladenöffnungszeiten, auch am Sonntag haben hier die Läden offen.
Sie waren einer der Teilnehmer des ersten Alumni-Treffens in London am 29. März 2008. In welcher Form haben solche Netzwerke ihr berufliches und privates Leben bereits bereichert?
Netzwerke sind für mich eine hervorragende Möglichkeit, Informationen weiterzuleiten und zu erhalten. Häufig kann man von der Erfahrung Dritter profitieren, die sich in einer ähnlichen Situation wie man selbst befinden oder befanden, und die aufkommende Probleme erfolgreiche bewältigt haben. Nachrichten, welche ich über meine Netzwerke erhalte, haben eine viel größere Wahrscheinlichkeit, relevant zu sein, da sie von einer Gruppe von Leuten stammen mit denen mich etwas Signifikantes verbindet. Netzwerke stellen für mich zwar keinen Ersatz zu herkömmlicher Kommunikation und Recherche dar, aber sie sind ohne Zweifel eine starke Bereicherung.
Wenn Sie Ihr Bürofenster öffnen, was hören und sehen Sie?
Leider kann ich das Fenster nicht öffnen, ich sitze in einem Großraumbüro mit etwa 50 bis 60 anderen Entwicklern. Ich genieße den unmittelbaren Kontakt, den man hier zu den Kollegen hat. Eine gesamte Wand dieses Büros ist aus Glas, und wir blicken auf eine Häuserwand gegenüber, mit ein paar Bäumen dazwischen. Wäre das Fenster zu öffnen, würde ich das hören, was auch Millionen anderer Londoner von ihrem Arbeitsplatz in der „City“ hören: den andauernden Straßenverkehr.
Mai 2008